Der Mahlstrom by Frode Granhus

Der Mahlstrom by Frode Granhus

Autor:Frode Granhus [Granhus, Frode]
Die sprache: deu
Format: epub


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Bodø / Bergland

Nachdem er Joakim an der Schule abgesetzt und ihm mit schlechtem Gewissen Versprechungen für das nächste Wochenende gemacht hatte, nahm Rino Kurs Richtung Norden. Sieben Stunden und drei Fähren später erreichte er Bergland, ein kleines Dorf, das sich an der Küste geradezu festklammerte. Hier würde es nicht viel globale Erwärmung brauchen, bis die Dörfer im Meer verschwanden. Ein kleiner Streifen urbaren Landes hier und dort, doch meistens kroch der Fuß des Berges zum Meer und zwang die Straße, entsprechende Kurven zu schlagen. Hier war also der Kerl aufgewachsen, der eine Ausbildung in der Kinderfürsorge gemacht hatte, aber lieber als Kinderrächer unterwegs war. Denn für Rino gab es keinen Zweifel mehr, obwohl er nach seinem Alleingang vom Wochenende gebeten worden war, doch erst mal ein paar Gleittage zu nehmen. Vor allem als er von seinem Besuch bei Even Haarstad hörte, hatte der Lensmann rot gesehen. Mit der Beschattung der Frauen und dem Einbruch in die Schreinerei konnte man leben, aber nicht mit etwas, was der Lensmann als persönlichen Angriff betrachtete, und das auch noch basierend auf hauchdünnen Indizien.

Sie hatten sich auf drei Tage Gleitzeit geeinigt. Streng genommen hätte er diese Zeit mit Joakim verbringen sollen oder zumindest einmal mit der Schule sprechen können, um zu hören, wie schwerwiegend die Konzentrationsprobleme eigentlich waren – doch nachdem er herausgefunden hatte, wer hinter den Verbrechen steckte, wollte er auch wissen, warum. Darum hatte er sich für Bergland statt für Joakim entschieden.

Er stillte seinen größten Hunger mit einer schlaffen Grillwurst an einer heruntergekommenen Shell-Tankstelle, bevor er in das Büro des hiesigen Lensmanns ging, wo ihn ein älterer Polizist in Empfang nahm. Der Mann stellte sich als Norvald Bøe vor, und seine Stimme kündete von einem aktiven Beitrag zum Erhalt der Tabakindustrie. »Even Haarstad«, wiederholte er mit betrübter Miene. »Warum bin ich nicht überrascht, dass sein Name in so einem Zusammenhang auftaucht? Was hat er denn gemacht?«

»Wenn man ihm glauben soll, nichts. Aber gewisse Parallelen zwischen zwei Fällen von schwerer Körperverletzung weisen in seine Richtung.«

»Sittlichkeitsverbrechen?«

»Verbrennungen und Erfrierungen. Einem wurden die Hände im Eiswasser festgekettet, einem anderen wurde der Arm an einen Heizstrahler gebunden.«

»Du liebe Zeit! War das Even?« Die Sache war durch die Zeitungen gegangen und den meisten selbstverständlich ein Begriff. Der Polizist setzte sich mit einem resignierten Seufzer. »Ja, das könnte er schon gewesen sein. Und vielleicht hätte ich den Zusammenhang schon längst sehen müssen.«

Rino wartete gespannt darauf, dass Bøe weitersprach.

»Wenn ich glauben soll, was man mir erzählt hat, dann war Evens Kindheit die reinste Hölle. Aber wie so oft in solchen Fällen blieb das Verbrechen unentdeckt. Die wenigsten hier wussten, was in diesem Haus geschah, zumindest was das Ausmaß der Qualen anging.«

»Wieso meinen Sie, dass er gut hinter diesen Fällen von Körperverletzung stecken könnte?«

Der Polizist massierte seinen zurückgewichenen Haaransatz. »Ich kann Ihnen einen Namen sagen«, erklärte er und schrieb HALVARD HENNINGSEN auf einen Post-it-Zettel. »Der wohnt hier im Altenheim, einem weißen Backsteinbau, das einer psychiatrischen Einrichtung zum Verwechseln ähnlich sieht. Halvard war der nächste Nachbar. Er weiß Bescheid. Außerdem ist er immer noch gut in Form, zumindest geistig.



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